Die Gayparty

Die Gayparty

Wütend warf er seine Tasche in die Ecke. Der angehende Wirtschaftsabiturient war nicht einfach nur ärgerlich, er war stinksauer. Wochenlang hatte er sich mit den absurden Theorien Heideggers beschäftigt und nun war Albert Camus‘ „Der Mythos des Sisyphus“ zu seinem Referatsthema im Deutsch Leistungskurs geworden, das er über die Sommerferien vorbereiten sollte. Was hatte sich dieser impertinente Mensch von einem Lehrer dabei bloß gedacht. Wenn es wenigstens um „Das Sein und das Nichts“ von Sartre gegangen wäre. Auch damit wäre er zurecht gekommen; aber was ausgerechnet der altbackene Franzose Camus mit Deutsch zu tun? Als ob er nicht ganz andere Probleme zu bewältigen hätte, als sich erneut in einen Stoff einzulesen, der ihm im Moment völlig am Arsch vorbeiging.

doch schwul

Immerhin war ihm in den letzten Monaten klar geworden, dass er nicht etwa bi- oder metrosexuell, sondern schwul war. Seit der Katastrophe auf der Fete eines Klassenkameraden war diese Tatsache nicht mehr zu leugnen. Dabei war die Party zu Anfang ausgesprochen nett gewesen. Er hatte mit der Blondine aus der Parallelklasse getanzt, nachdem diese ihn zum Mitmachen animiert hatte. Keine zehn Minuten später lag er knutschend mit ihr auf dem Sofa. Doch irgendwie spürte er, dass es sich nicht richtig anfühlte. Das Küssen und Gefummel machte ihn einfach nicht heiß. Also stand er auf murmelte eine Entschuldigung und ging völlig verwirrt und frustriert nach Hause. Seit diesem Abend wusste er, dass er homosexuell war.

Doch mit wem sollte er darüber sprechen, dass der Gedanke an sehnige muskulöse Männerkörper ihn mehr erregte, als die weichen Leiber liebestoller Frauen? Sein Vater hielt ihm Vorträge, wie das Geschäft zu führen sei, das er einmal übernehmen sollte. Und seine Mutter hatte ganz eigene Probleme, die von seinen so weit entfernt waren, wie die Sonne von Alpha Centauri. Doch heute wollte er nicht mehr darüber nachdenken. Es war Freitagnachmittag und in dieser Nacht würde er an der ersten Rosa Full Moon Party seines Lebens teilnehmen. Von seinem Großvater hatte er die wildesten Stories über diese Veranstaltungen gehört. Jahre bevor die erste Full Moon Partys in Ko Pha-ngan in Thailand stattfand, war der Alte in Anjuna Beach in Goa gewesen. Seine Geschichten, wie er dort mit LSD und Magic Mushrooms experimentiert hatte, waren in der Familie legendär.

Die Gayparty

Der Vollmond stand bereits hoch am Himmel, als er in dieser Nacht den Strand am Baggersee erreichte. Schon von weitem war der hämmernde Sound riesiger Boxen zu hören und knallige Stroboskopblitze verrieten, in welcher Richtung sich die Party abspielte. Als er näher kam, bemerkte er eine riesige Kuppel aus bunten Lichterketten, die über der Haupttanzfläche thronte. Überall waren fluoreszierende Aufkleber, Bänder und Pappen zu sehen, die der Szene einen surrealen Touch verliehen. ‚Wow‘, dachte er bei sich, ‚das ist mal etwas ganz anderes‘. Das Aussehen des überwiegend männliche Publikum tat ein übriges, um seine Fantasie zu beflügeln. Gut aussehende muskulöse Männer in engen Shorts und mit freiem Oberkörper bewegten sich im Rhythmus der Musik. Das bevorzugte Material der äußerst spärlich vorhandenen Bekleidung war schwarzes Leder, das in Form von dünnen Riemchen um den Brustbereich verschnürt war. Außerdem trug man knallenge schwarze Jocks und war bis auf eng anliegende Clover Clamps nackt.

gaypartyDie schwüle Hitze – oder war es das unbändige Staunen eines jungen Schwulen, der zum ersten Mal auf einer von Gays organisierten Full Moon Party war – trocknete seinen Mund aus. Mühsam kämpfte er sich durch die immer dichter werdende Wand aus geballter Männlichkeit. Er hatte einen Getränkestand erspäht, der von dutzenden Männern umringt war, die in geordneten Schlangen anstanden, um ihre Bestellungen aufzugeben. Nachdem er bereits eine Weile angestanden hatte, traf ihn eine Beobachtung wie ein Keulenschlag. In der Schlange direkt neben ihm, stand ehemaliger Kollege seines Deutschlehrers, der ihn zuvor in Deutsch unterrichtet hatte, der aber vor einigen Wochen die Schule gewechselt hatte. Er trug eine typische Schnellfickerhose aus genietetem Leder sowie dazu passende Jocks aus dem gleichen Material. Das konnte doch gar nicht sein. Er schaute angestrengt noch einmal hin – ein Zweifel war nicht möglich, Irrtum ausgeschlossen.

Der Lehrer

‚Heiland Sack, sieht der gut aus‘, schoss es dem Wirtschaftsgymnasiasten durch den Kopf, als sich der Lehrer zu ihm umdrehte. Auch dem Pädagogen entglitten kurzfristig die Gesichtszüge, doch schnell hatte er sich wieder gefasst. Zu komplex und geschult waren die Abwehrmechanismen, die er sich im Lauf seines Lebens als Gay antrainiert hatte. Sein Schüler stand allerdings noch immer unter Vollschock. Das gab sich jedoch, als der erfahrene Mann ihm zuzwinkerte und ihm mit einem verschmitzten Lächeln auf den Lippen die zur Faust geballten Hand hinhielt. Befreit klatschten sich die beiden Männer ab und brachen danach in schallendes Gelächter aus.

Von diesem Moment an waren der Lehrer und Schüler auf der Party unzertrennlich. Sie tanzten bis in die frühen Morgenstunden oder sie saßen etwas abseits vom turbulenten Geschehen an einem der Lagerfeuer, tranken Bier und unterhielten sich über Gott und die Welt. Es war also alles andere als ein Wunder, dass sie sich bei Tagesanbruch gemeinsam auf den Heimweg machten und im Schlafzimmer des Deutschlehrers landeten.

Er genoss das irrsinnige Gefühl, wie die fremde Hand ihn berührte. Langsam und gekonnt glitt die Hand des Lehrers an ihm hinab. Dabei nahm der erfahrene Schwule den jungen Mann so in den Arm, dass sie sich vis a vis gegenüberstanden. Sie begannen sich zu küssen. Erst verhalten, doch dann immer leidenschaftlicher. So standen sich die beiden schwulen Männer gegenüber, während sie sich gegenseitig Lust bereiteten.

Die letzte Dämme brachen, als der Deutschlehrer vor ihm in die Hocke ging. Wie oft hatte er sich so etwas erträumt, aber seine Träume konnten mit der Realität nicht mithalten. Elektrisierende Blitze explodierten im Mark des jungen Mannes. Immerhin wurde er zum ersten Mal in seinem Leben von einem Mann verwöhnt. Und das mit einer Kunstfertigkeit, wie sie nur erfahrenen Schwulen zu eigen ist. Das intensive Blaskonzert ließ den Atem des Jüngeren flacher werden und er fing an vernehmlich zu stöhnen. Er spürte, wie sich der Point of no return langsam in ihm aufbaute.

Da sie eine lange Nacht hinter sich gebracht hatten, fielen die beiden Männern schon bald darauf in einen tiefen Schlaf, von dem sie erst am Abend wieder erwachten. Nur mit Shorts bekleidet standen sie in der Küche des Deutschlehrers, tranken Kaffee und bereiteten gemeinsam ein kräftiges Bauernfrühstück zu.

„Du sag mal, das Referat, das dein ehemaliger Kollege uns aufgedrückt hat“, setzte der Schüler an. „Nicht, dass du denkst ich will die Situation ausnutzen. Aber kann man da nicht was machen?“

„Heidegger oder Sartre, was ist dir lieber?“ fragte der Lehrer zwinkernd. „Ich schau mal, ob ich ihn umstimmen kann.“

Bild von torbakhopper
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